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Über die Macht von Social Media wurde in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder diskutiert – insbesondere in Bezug auf uns selber. Macht Social Media süchtig? Kann man überhaupt noch ohne Facebook leben? Doch seit einigen Tagen zeigen Facebook, Twitter und Co. eine ganz andere Macht – nämlich die, Menschen zu vernetzen und zu bewegen. Im arabischen Frühling, den zahlreichen Aufständen in der arabischen Welt, spielten Facebook, Twitter und Co. bereits eine zentrale Rolle. Menschen konnten sich über die Grenzen ihrer Regierung hinweg vernetzen und ihre Ideen der Weltöffentlichkeit kundtun.

Die US-amerikanische Non-Profit-Organisation Invisible Children Inc. hofft nun auf einen ähnlichen Effekt. Seit wenigen Wochen sorgt das Video „KONY 2012“ in der weltweiten Netzgemeinde für Aufsehen und man muss sich zunehmend der Frage stellen: Kann man mit Social Media Kriegsverbrecher schnappen? Invisible Children Inc. hat die Kampagne ins Leben gerufen, mit genau diesem Ziel: Den ugandisches Rebellenführer Joseph Kony in der weltweiten Öffentlichkeit bekannter zu machen und in Folge dessen auch endlich hinter Gitter zu bringen.

Für Aufmerksamkeit hat das halbstündige Video bereits ordentlich gesorgt. Auf Facebook, Twitter und Co. sind die Klickzahlen für „KONY 2012“ in wenigen Tagen in die Höhe geschnellt. Mehr als 80 Millionen Menschen haben sich den Kurzfilm bereits auf Videoportalen wie YouTube angeschaut. Zahlreiche User teilten den Link auf Facebook. Die Unterstützung scheint riesig zu sein – ohne auf die Straße gehen zu müssen. Ein Mausklick reicht heute bereits aus, um seine Unterstützung für etwas auszudrücken. Aber reicht das?

Lob und Kritik liegen nah bei einander!

Man muss sich fragen: Wie kann man mit Social Media einen Rebellen fassen? Wie kann ich in Deutschland mit meinem „Like“ auf Facebook dazu beitragen, dass Joseph Kony in Uganda, oder wo auch immer er sich aufhalten möge, gefasst wird? Ein Problem, das bereits viele Kritiker angesprochen haben. Jemand, der in Uganda seit Jahrzehnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt, besitzt in der Regel eine hohe Anzahl von Anhängern. Nach Berichten internationaler und vor allem ugandischer Journalisten soll Joseph Kony mit seinen Anhänger längst nicht mehr in Uganda sein, sondern sich in anderen afrikanischen Gebieten wie dem Kongo und im Südsudan versteckt halten.

Die Verhältnisse in Uganda seien längst nicht so, wie sie im Video dargestellt werden. Alles sei sehr vereinfacht dargestellt, gut gegen böse, die ganze Welt gegen Joseph Kony. Darüber hinaus bemängeln viele Kritiker, dass der Film von Invisible Children die Ugander als ausgelieferte Opfer darstellt, die den „mächtigen Weißen“ brauchen, um Joseph Kony zu stoppen. Durch das Video wird man den Rebellenführer nicht schneller fassen. Aber die Kampagne zeigt beispielhaft, wie aus einer weltweiten Netzgemeinde eine Kraft entstehen kann, die Menschen und Medien dazu antreibt, über die Missstände in Uganda zu berichten und infolgedessen möglicherweise etwas bewegen zu können.

Und der weltweite Erfolg des Videos liegt nicht etwa ausschließlich in der Verbreitung durch das Social Web, sondern vor allem in seiner Emotionalität, die sich vereinfacht ausgedrückt im alten „Gut gegen Böse“-Kampf widerspiegelt! Der kleine Jacob gegen den großen Joseph. YouTube, Facebook und Twitter machen diese Geschehnisse lediglich zugänglich und transparent für eine breite Öffentlichkeit. Soziale Netzwerke ermöglichen es heutzutage, Emotionen und Bilder schneller und häufiger zu verbreiten, als es die klassischen Medien können. Und mit einem Mausklick, einem „Like“ und einem Tweet kann man schnell Teil dieser Weltöffentlichkeit werden, die einen Rebellenführer jagt.

Dem ugandischen Rebellenführer Joseph Kony werden – als Führer der „Lord’s Restistence Army“ (LRA) – zahlreiche Verbrechen gegen die Bevölkerung Ugandas und anderen Ländern sowie Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die LRA soll seit über 26 Jahren mehr als 66.000 Kinder entführt, zu Soldaten und Sklaven gemacht haben.  Joseph Kony wird seit Jahren mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Update: Der Regisseur des Videos „KONY 2012“ und Mitbegründer der US-amerikanischen Kinderhilfsorganisation Invisible Children, Jason Russel, wurde wegen eines Nervenzusammenbruchs in eine Klinik in San Diego eingeliefert. Berichten zufolge sei er dem starken Druck und der heftigen Kritik der Öffentlichkeit an seinem Video nicht standgehalten. Er soll nackt und verwirrt durch die Straßen gelaufen sein, bis ihn die Polizei in Gewahrsam nahm.

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